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  • AutorenbildNatalie

Glymur - Einer der Höchsten Wasserfälle Islands

Aktualisiert: 1. Apr. 2022

Schweiß überströmt & zitternd saß ich nahe dem schmalen Wanderweg im Gestrüpp am Hang. So weit wie möglich vom Abgrund entfernt, blickte ich konzentriert auf meine Hände.

Einatmen, Ausatmen. Nur keine hektischen Bewegungen machen. Ich wollte nicht mehr hier sein. Am liebsten wäre ich einfach direkt auf dem kürzesten Weg wieder hinunter in sicheres Gelände gelaufen. Gelaufen? Konnte man bei der Steigung ernsthaft von laufen sprechen?Der steile Auftstieg hatte mich wirklich geschafft. Mehrfach war ich auf dem glitschigen Untergrund weggerutscht, trotz meiner wirklich griffigen Wanderstiefel. Nur die Kette, an der ich mich festklammerte wie ein Ertrinkender, hielt mich davon ab den Hang hinab zu fallen. Vergessen war die Lust den Wasserfall zu sehen...


Und dabei hatte ich mich doch so sehr auf gerade diese Wanderung gefreut!

Ich hatte in einigen Reiseführern von dieser Tour gelesen & eigentlich hörte sie sich recht einfach an:


"Durch eine heideähnliche Landschaft wandern wir bis zu einem Fluß, folgen dann dem Weg bergan bis wir schließlich zum Aussichtspunkt kommen, von dem aus wir einen der höchsten Wasserfälle Islands bei seinem schwindelnden Fall hinab in die schmale Schlucht betrachten können."


Ich muss zugeben: Diese Beschreibung ist nicht falsch, aber ganz korrekt ist sie dann auch wieder nicht...


 

Glymur


 

Steckbrief - Rundwanderung zum Glymur


  • Länge: 6 km

  • Streckentyp: Rundwanderung

  • Höhenunterschied: 370 m

  • Ausgangspunkt: Parkplatz Glymur

  • Markierung: gelb gestrichene Steine

  • Beschaffenheit: Behelfsbrücke & steiler Aufstieg teilweise sehr rutschig

  • Anforderungen: Flussquerung über Behelfsbrücke, steiler Aufstieg, (leichte) Kletterstelle, Flussquerung oberhalb des Wasserfalls


  • Tipp: nur mit gutem Schuhwerk & bei stabilem Wetter gehen, für Wanderanfänger & nicht Schwindelfreie eher ungeeignet

 

Ich bin nicht ganz sicher was ich mir eigentlich dachte, aber wenn man vor hat, einen der höchsten Wasserfälle des Landes von oben zu betrachten, weißt das schon irgendwie darauf hin, das man vermutlich erst einmal hinauf muss. Und wenn das Wasser in eine 200 m tiefe Schlucht fallen soll, bedeutet das wohl auch, das man sich an einer Steilwand wiederfinden könnte, die so in etwa 200 m tief sein könnte.

 

Zum Zeitpunkt unserer Islandreise war ich noch nicht besonders viel Wandern gewesen.

Um nicht zu sagen - noch nie. Na gut, vielleicht nicht ganz nie, aber doch noch nie in einem solchen Gelände. Im Grunde beschränkte sich meine Wandererfahrung auf das Wandern im Mittelgebirge. Das unser geliebter Taunus nicht gerade mit isländischen Verhältnissen mithalten kann ist wohl überflüssig zu erwähnen...

 

Als ich neugierig durch die Beschreibungen einiger Reiseführer, die Tour dann im Rother Wanderführer fand, war ich sehr gespannt: Die Tour war als schwarz klassifiziert.

Mir schwand der Mut, das muss ich tatsächlich zugeben.


Aber bis zur Ankunft in Keflavík wussten wir noch nicht in welche Richtung wir eigentlich losfahren wollten & so hoffte ich, das wir diese Tour ja wohl kaum gleich als erstes angehen wollen würden.


Es kam wie es kommen musste. Das Wetter im Süden war schlecht & wir folgten dem guten Wetter in Richtung Westen. Unsere ersten kurzen Wanderungen unternahmen wir auf Reykjanes. Allesamt leichte Touren. Hier zu einem Leuchtturm, dort zu einer Klippe. Keine große Sache.


Gleich am zweiten Tag führte uns unser Weg am Hvalfjörður entlang.

Die Wanderung zum Glymur lag quasi auf der Strecke & wir entschieden unser Glück zu versuchen. "Mal sehen, was wir dort erleben. Wenn es doch zu schwierig ist, können wir ja auch einfach wieder umdrehen!" Gesagt, getan.


Wir erreichten den Parkplatz am Vormittag, packten unsere Rucksäcke, zogen unsere Wanderstiefel an & liefen los.

 

Wenn der Parkplatz voll war, dann war der Weg voller. Wir durchschritten das Gatter mit dem großen Schild: "Betreten auf eigene Gefahr!"

Diese Ansage sprang uns gleich in mehreren Sprachen an. Na großartig!


Zunächst führte uns der Pfad durch ein hügeliges Gelände mit flachem Bewuchs.

Der Weg war stets gut zu sehen, zusätzlich auch noch mit gelb bemalten Steinen markiert. Aber mit all den anderen Wanderern war es ohnehin nicht zu übersehen, in welche Richtung es weiter ging. Oben auf dem Hügel angekommen, hatten wir einen phantastischen Blick zurück in den Fjord. Kurz darauf folgten wir Treppen den Abhang hinab in eine kleine Höhle & weiter bis hinunter zum Fluss.



Am Fluss empfing uns die erste interessante Überraschung. Die Behelfsbrücke bestand aus einem Baumstamm, der über dem Fluss lag. Seitlich gab es zwei Stahlseile, die helfen sollten, die Balance zu halten. Das war ein Spaß!


Auf der anderen Seite folgten wir dem Pfad ein kleines Stück durchs Gesträuch,

bis wir vor der Felswand standen. Hier begann nun der abenteuerliche Teil!


Das ich den steilen Hang hinauf gelaufen wäre, ist bei meiner überschaubaren Körpergröße wirklich zu viel gesagt. Es gibt zwar so etwas wie natürliche "Stufen" im Hang, aber bei mir lag die nächste "Stufe" gern mal auf der Hälfte des Oberschenkels oder auf Hüfthöhe, was den Anstieg nicht einfacher machte.


Glücklicherweise gab es am Hang viele Stellen, die mit einer Kette versehen waren, damit man sich ab & an festhalten konnte. Der teils schottrige, teils sehr glitschige Pfad mündete irgendwann in eine (leichte) Kletterstelle, die mir dann vollends den Rest gab.


Den gesamten Anstieg hatte ich mich bemüht nicht zu viel hinunter zu blicken & mich stets an Hang & Kette geklammert, wenn Gegenverkehr von oben hinabsteigen wollte. Der Pfad ist so schmal, das man sehr genau schauen muss, wo man an einander vorbei klettern konnte. Und an dem Tag herrschte reger Betrieb. Immer wieder saß ich in luftiger Höhe an die Felswand gepresst da & bemühte mich um eine regelmäßige Atmung.


Auch wenn der Rother einen Rundweg vorschlägt gehen viele - mich in diesem Fall eingeschlossen - "nur" zum ersten oder zweiten Aussichtspunkt & drehen dann um. Deshalb müssen natürlich alle die hochgehen irgendwann auch wieder hinunter.


Auf dem Weg, den Hang hinauf überkam mich zunehmend das beklemmende Gefühl, lieber direkt wieder absteigen zu wollen. Mit viel Konzentration schaffte ich den gesamten Anstieg & fand mich oben angekommen auf einem schmalen Weg wieder. Rechts von mir befand sich hoch aufragend Gestein mit flachem Bewuchs, links eine tief abfallende Schlucht.


In diesem Moment hätte mich eine Hochebene regelrecht erlöst. Ein schönes, breites Plätzchen, weit weg vom Abgrund. Das wärs jetzt echt gewesen! Was soll ich sagen: Nö!


David überredete mich zumindest eine Weile oben sitzen zu bleiben. Es gab ziemlich wenig Platz, aber einige andere brauchten nach dem Anstieg auch eine kleine Verschnaufspause & setzen sich ebenso in das Gestrüpp am Hang. Zumindest war ich soweit wie möglich vom Abgrund entfernt. Das war schon mal ein Fortschritt. Aber allen mentalen Anstrengungen zum trotz fühlte ich mich nicht wohl. Es war hoch, es war windig & zu allem Überfluss war es auch noch voll. Nach einer Weile schaffte ich es immerhin mich so weit zu sammeln um bis zum Aussichtspunkt zu kommen. Wir sahen den Wasserfall hier zwar nur aus der Ferne, aber die Aussicht weiter diesem schmalen Pfad am Abgrund mit zitternden Beinen zu folgen erquickte mich nicht besonders. Wir schossen ein Beweisbild & machten uns zügig an den Abstieg.


Der Weg hinunter war keinesfalls einfacher als der Weg hinauf. Diesmal wusste ich aber bereits was mich erwartete & rutschte, mit einer Hand an der Kette, mehr als das ich hinabstieg. Die Erleichterung die mich überflutete als ich endlich unten ankam war Atemberaubend.


Bereits auf dem Weg zurück beschlich mich das ungute Gefühl, es nicht geschafft zu haben.

Diesen Wasserfall nicht so recht gesehen zu haben & an ihm gescheitert zu sein.

Ich ärgerte mich gewaltig, aber es war auch nicht mehr zu ändern.


Während der nächsten drei Wochen gingen wir noch viel wandern. Nah etwas mehr Übung trauten wir uns noch an einige schwarze Routen & ich wäre zu gern noch einmal zum Glymur gefahren. Einmal die gesamte Tour machen. Das steht definitiv noch auf meiner Liste!

 

Hat dir meine Wandererinnerung gefallen oder hast du sogar selbst schon eigene Erfahrungen mit dieser Tour gemacht? Erzählt mir gern von euren Erlebnissen. Ich würde mich sehr freuen!

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